Rubrik: Mitgliedern über die Schulter geschaut
Es ist Donnerstagabend 21.00 Uhr. Ich klappe den Laptop zu und habe nun Feierabend. Das war ein langer Tag, an dem ich erneut erfolgreich meine zwei beruflichen „Standbeine“ unter einen Hut bringe. Aber beginnen wir doch einmal beim Wesentlichen: wenn ich früh das Haus verlasse, dann ruft mich meine hauptberufliche Arbeit, die ich als „Teilzeit-Logopädin“ in einer interdisziplinären Praxisgemeinschaft mit einigen anderen kreativen, kompetenten und vielseitigen LogopädInnen, ErgotherapeutInnen und PhysiotherapeutInnen verbringe. „Teilzeit-Logopädin“ bedeutet keinesfalls, dass ich meinen Job als Sprach- und Sprechexpertin auch nur mit halbem Herzen abarbeite, sondern dass die andere Hälfte meines beruflichen Herzens für die Musiktherapie schlägt. Schon während meiner Ausbildung zur Logopädin habe ich gemerkt, dass ich einen Weg finden möchte, um Musik in die Behandlung von Sprach- und Sprechstörungen, Hörstörungen, Kommunikationsstörungen und Stimmstörungen einzubauen, weil ich davon überzeugt bin, dass Musik so viel in uns Menschen bewirken kann, sich Verbindungen und Begegnungen ergeben und ihr Kräfte beiwohnen, die wir therapeutisch nutzen können. Nach meiner Ausbildung in Crossen entschied ich mich also für ein Side-Business als Musiktherapeutin und so arbeite ich nun seit fünf Jahren neben meiner Arbeit im Angestelltenverhältnis als freiberufliche Musiktherapeutin. Selbstverständlich fließen musiktherapeutische Elemente in meinen logopädischen Arbeitsalltag ein – das empfinde ich als wertvollen Schatz für meine PatientInnen, als auch meine Erfüllung in der therapeutischen Arbeit mit Jung & Alt.
In den vergangenen Jahren konnte ich Erfahrungen sammeln, in welcher Weise Musik wohl zwischen funktioneller Übungsbehandlung und psychotherapeutischem Ansatz wirken kann (auch durch meine Arbeit als Musiktherapeutin an einer Schule für geistig behinderte und schwerstmehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche). So hatte ich die Vision, mehr Musik in die Logopädiewelt zu bringen und bilde mittlerweile andere LogopädInnen weiter – mein eigenes, aus Erfahrungen heraus entwickeltes Konzept „Therapeutisches Musizieren bei Sprachentwicklungsstörungen und -verzögerungen“ erreicht mittlerweile KollegInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Nun seit einiger Zeit auch online, was für mich absolut keine Herausforderung mehr darstellt, sondern mittlerweile ein Gewinn ist, um TherapeutInnen großflächiger zu erreichen. Die größere Herausforderung ist für mich wohl eher der zeitliche Aspekt meiner nebenberuflichen, musiktherapeutischen Tätigkeit. Denn so wie dieser Donnerstag sehen viele meiner Tage aus – erst der Hauptjob und dann geht es für mich weiter. Auch am Wochenende.
Ich beobachte übrigens mit sehr großem Interesse die berufspolitischen Aktivitäten hinsichtlich einer Anerkennung unseres Berufes und damit aber auch der gesamten Berufsgruppe der Künstlerischen Therapien und die sich damit möglicherweise ergebenden Zukunftschancen für ambulant arbeitende MusiktherapeutInnen – das Zusammenwirken möglichst vieler künstlerischer TherapeutInnen in Deutschland ist enorm wichtig, um einen wertvollen Beitrag für unsere Berufsgruppe zu leisten. Meine Empfehlung: Vernetzung untereinander, um gemeinsam für unseren wirklich tollen Beruf einzustehen!