Logopädie und Musiktherapie ergänzen sich in vielerlei Hinsicht – so auch, wenn wir von Mutismus sprechen. Dass es sinnvoll ist, interdisziplinär zu arbeiten, um den/die PatientIn ganzheitlich auf ihrem Weg begleiten zu können, ist längst kein Geheimnis. Im Live Webinar von Frederike Weinelt (Logopädin & DortMuT-Therapeutin) und mir (Logopädin & Musiktherapeutin), das am 28. September 2023 stattfinden wird, werden wir einen Einblick in das Schnittfeld von Logopädie und Musiktherapie in diesem Behandlungsfeld geben und insbesondere der Wichtigkeit der Beziehungsebene durch sprach- und musiktherapeutische Methoden auf den Grund gehen.
Mutismus – ein Definitionsversuch
Vor 140 Jahren fand der selektive Mutismus erstmals Erwähnung in der medizinischen Fachliteratur. Seit dem hat sich einiges geändert und gewandelt. Wurde die Diagnose Mutismus früher “Aphasia voluntaria” genannt, ist die Bezeichnung heutzutage (s)elektiver Mutismus beziehungsweise totaler Mutismus.
Die Definition im ICD-10 lautet wie folgt: “Charakteristisch ist eine emotional bedingte Selektivität des Sprechens, d.h., die vorhandenen Sprachkompetenz wird in einigen Situationen gezeigt, in definierten Situationen jedoch nicht. Beim sehr seltenen totalen Mutismus sprechen die Betroffenen überhaupt nicht.” (Psychatrie und Psychotherapie compact, 2014)
Der DSM-5 hat den selektiven Mutismus nun sowohl im Kindes- und Jugendalter als auch im Erwachsenenalter als eigenständige Angststörung anerkannt. Oft beginnt er in der frühen Kindheit und äußert sich darin, dass Betroffene in bestimmten Situationen nicht sprechen. Die Diagnose wird nicht selten erst gestellt, nachdem die betroffene Person die Schule besucht. Zusätzlich treten zu diesem Zustand sehr häufig auch andere Angststörungen auf, insbesondere die soziale Phobie, sowie mitunter auch depressive Erkrankungen. (Rogoll, J., Petzold, M. & Ströhle, A. Selektiver Mutismus. Nervenarzt 89, 591–602 (2018))
Der Verlauf des selektiven Mutismus ist äußerst vielfältig: Bei einigen Personen verschwinden die Symptome plötzlich und vollständig, während sie sich bei anderen langsam zurückbilden. Es ist auch möglich, dass die Erkrankung bis ins Erwachsenenalter fortbesteht. Früher vermutete man, dass traumatische Erlebnisse die Ursache sein könnten, doch heutzutage geht man eher von einer komplexen Entstehung aus, die genetische, psychologische und sprachbezogene Faktoren einschließt.
Das Störungsbild Mutismus benötigt mit seiner Komplexität ein großes Repertoire an Fachwissen und Handlungsmöglichkeiten. Um dies zu gewährleisten ist die interdisziplinäre Arbeit unabdingbar. Ein gemeinsames Handeln zur Erschaffung eines “safe place” und der Verbesserung der individuellen Symptomatik ist das gemeinsame Ziel der Institutionen.
Musiktherapeutische Interventionen
Wie bereits beschrieben, steht an oberster Stelle der Behandlung die Gestaltung einer therapeutischen Beziehung. Und genau hier ist der Punkt, an dem Musik & all ihre Elemente therapeutisch genutzt werden können. Es geht hierbei um einen leistungfsreien Rahmen und um ressourcenorientiertes, achtsames Handeln. Denn gerade auf mutistischen Kindern herrscht ein enormer gesellschaftlicher Druck. Dies wiederum kann zum Auftreten von Sekundärsymptomen unterschiedlichster Art führen. Innerhalb eines multimodalen Behandlungsansatzes spielt das musiktherapeutische Angebot eine wichtige Rolle, da …
👋 Kommunikation nonverbal stattfinden kann, um Beziehungsarbeit zu leisten
👋 Musikinstrumente multisensorisch wirken und somit alle Sinne des Menschen ansprechen
👋 Musik als Objektcharakter dienen kann und somit nicht unmittelbar am Symptom des Nichtsprechens angesetzt wird
👋 MusiktherapeutInnen von einem bio-psycho-sozialen Verständnis ausgehen und verbale, als auch nonverbale Möglichkeiten zur Verfügung stehen
👋 sich der/die PatientIn als selbstwirksamen und gleichberechtigten Kommunikationspartner im musiktherapeutischen Setting erleben kann
Melde dich an, um konkrete Handlungsinterventionen kennenzulernen, die sich als Schnittmenge von Logopädie und Musiktherapie einordnen lassen. Wir freuen uns, dich in unserem Live Webinar am 28. September zu sehen!